Wer am Morgen eine Tasse Tee oder Kaffee trinkt, denkt kaum daran, dass das Wasser darin als Schneekristall oder Tautropfen seinen Weg antrat. dass es vielleicht von den Wurzeln eines Baumes aufgenommen wurde und von den Blättern verdunstete, als Regen wieder zur Erde kam und in einem Fluss landete, als Tropfen von der Pumpe eines Wasserwerkes angesaugt wurde und schließlich aus dem Wasserhahn in die Tasse gelangte. Die Faszination des komplexen Wasser-Kreislaufes ist vielen Wassernutzern fremd geworden. Wasser hat heute willig zu sein, stets zur Verfügung. Die Menschen waschen nicht nur ihre Körper mit Wasser, auch Kleidung und Geschirr, Toilettenschüsseln und Pissoirs. Wasser schwemmt Schmutz und Abfall aller Art fort. Durch die bedenkenlose Nutzung werden Bäche, Flüsse, Seen und Meere mit Rückständen aus Industrie, Landwirtschaft und Haushalten verseucht. Selbst jahrtausende altes Grundwasser wird rücksichtslos verschmutzt und verschwendet. Statt Verantwortungslosigkeit verdient das nasse Element jedoch Respekt, denn Wasser ist Grundlage allen Lebens. Immerhin besteht der Mensch zu 70 Prozent daraus. Ohne Wasser gäbe es auf diesem Planeten nur Wüste. Wasser dient als billige Deponie für Abfälle aller Art.
Kloake Fluss
Das Schicksal der Flüsse offenbart den achtlosen Umgang der Menschen mit dem Wasser. Die blauen Lebensadern und ihre Ufer beherbergen zahllose Pflanzen und Tiere. Der Mensch nutzt Flüsse als Trinkwasserquelle, zum Abtransport von Müll aus Industrie, Landwirtschaft und Haushalten, als Nahrungs- und Energielieferant, als Kühl- und Reinigungsmittel. Er hat sich die Flüsse gefügig gemacht, sie umgeleitet, eingezwängt und aufgestaut. Die Zwangsjacke führt jedoch dazu, dass Wasserströmungen sich beschleunigen und Hochwasser bedrohlich schnell auflaufen. Große Überschwemmungen wie am Missisipi oder Rhein sind die Folge. Einst konnten die Menschen mit wenig Aufwand ihr Trinkwasser aus Flüssen gewinnen, darin baden und fischen. Heute sind die Flüsse zu Abfallrinnen degradiert.
Zwar preisen die letzten Jahresberichte der Wasserwirtschaft Elbe und Rhein als immer sauberer, zwar bleibt uns Fischsterben zunehmend erspart, trotzdem wird die Umwelt weiter mit Dreck belastet. Ausgeklügelte Technik in den Kläranlagen soll die Gifte aus dem Abwasser filtern. Angereichert im Klärschlamm landen sie dann auf der Deponie und schließlich im Grundwasser. Doch längst nicht alle gefährlichen Stoffe der Industrie werden in Kläranlagen herausgefiltert. Lösliche und schwer abbaubare Stoffe können trotz High-Tech in den Flussgelangen. Weiteres Problem: Für einen Großteil der heute produzierten Chemikalien gibt es bislang keine adäquaten Nachweisverfahren. Hier kann nur eine vorsorgende giftfreie Produktion umweltfreundlicher Produkte Abhilfe schaffen.
Flucht in die Tiefe
Trotz gepriesener Verbesserung: Mit Chemikalien aus der Industrie, Dünger und Pestiziden aus der Landwirtschaft befrachtetes Flusswasser taugt nicht als Trinkwasserquelle. Mittels Filtern lässt sich das verschmutzte Element von den Wasserwerken zwar notdürftig aufbereiten, an die Reinheit unverschmutzter Vorkommen reicht es aber nie heran. Industriegifte belasten das Wasser mancher Flüsse so stark, dass es sich nicht einmal mehr für die Produktion eignet. Schon lange weichen etwa große Chemiekonzerne am Rhein auf Grundwasser aus. Auch viele Wasserwerke pumpen Vorräte in immer größerer Tiefe ab - eine Flucht vor der sich ausbreitenden Verschmutzung in Flüssen und Grundwasserbeständen. Ist dieser Wasserschatz einmal verbraucht, wird es keinen Nachschub mehr geben.
Auch Flucht in die Ferne gehört zum Repertoire der Wasserversorger: Stuttgart etwa wird aus dem über 200 Kilometer entfernten Bodensee versorgt, Frankfurt am Main aus den Quellen des Vogelbergs. Solche Ausweichmanöver haben mancherorts ganze Ökosysteme zerstört: Wenn der Grundwasserspiegel sinkt, verschwinden die Feuchtpflanzen, wandern Frösche und Kröten ab, vertrocknen Sümpfe und Wälder. Ob High-Tech-Aufbereitung, Fernwasser oder die Ausbeutung uralten Tiefenwassers - technische Errungenschaften lösen die eigentlichen Probleme nicht. Wenn Verschmutzung und Verschwendung ungezügelt weitergehen, werden sich sowohl Engpässe in der Trinkwasserversorgung als auch die ökologischen Folgen verschärfen.
Die Industrie und das Wasser
Es scheint unverrückbar wie ein Naturgesetz: Wo sich Industrie ansiedelt, entsteht Abwasser. Produktion scheint nur möglich, wenn gigantische Mengen Wasser durch Betriebe geschleust und verschmutzt werden. Das Abwasserrohr entlässt die verdreckte Fracht dann in die Flüsse, die zum Baden nicht mehr taugen und als Trinkwasserquell sowie Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren sind. Diese Bilanz zieht die Greenpeace-Studie "Aquarius II", erarbeitet vom Frankfurter Institut für sozialökologische Forschung. Die Studie beschreibt den ungestillten Durst der Industrie, die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Natur und weist den Weg für einen neuen Umgang mit dem wertvollen Gut. Rund 70 Prozent des Wasserverbrauchs in Deutschland gehen auf das Konto der Industrie. Ihr dient Wasser als Lösungsmittel, als benetzendes Material etwa zum Färben von Textilien oder Beizen von Leder, zum Kühlen, Reinigen und Spülen, selbst zum Löschen der glühenden Schmelzen in der Stahlproduktion. Aus Sicht der Industrie liegt der größte Vorteil des Wassers jedoch darin, sich mit seiner Hilfe billig, bequem und ganz legal der Produktionsabfälle entledigen zu können.
Länder wie Israel etwa, aufgrund knapper Vorkommen sehr fortschrittlich in Sachen Wassersparen, zeigen, dass die Industrie kein Wasserfresser sein muss. Mit nur 61 Litern pro Kopf und Tag ist Israel beim Verbrauch von Industriewasser Vorbild für andere Nationen, die oft noch das Vierfache verschwenden. Der Ausweg heißt Kreislaufführung: So gibt es beispielsweise am sibirischen Baikalsee und am Meadow Lake in Kanada heute große Papierfabriken, die ihr Abwasser gänzlich recyceln. Auch andere Branchen haben begonnen, abwasserfreie Verfahren zu entwickeln. Die Entsorgung von Industrieabfällen in Flüsse und Meere kann also bei entsprechenden politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen schon bald Vergangenheit sein. Niemand braucht sich auf Dauer mit vergifteten Flüssen abzufinden.
Quelle: Greenpeace
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