Sonntag, 6. März 2011

Trinkwasser in Gefahr

Greenpeace kämpft seit Jahren für Schutz und Reinheit des Wassers. Besonderes Augenmerk gilt zur Zeit der Vergiftung des Trinkwassers mit Pestiziden, denn auf der politischen Bühne versuchen Politiker und Lobbyisten der Chemieindustrie seit 1993, die europäische Trinkwasserrichtlinie zu verwässern. Bislang darf ein Liter des kostbaren Elements mit maximal 0,1 Mikrogramm eines Unkraut- oder Insektenkillers belastet sein - ab diesem Wert kann ein Pflanzengift nachgewiesen werden. Der Vorsorge-Gedanke, der dahinter steckt: Jedes bisschen ist zuviel -- Pestizide haben im Trinkwasser nichts verloren. Die europäischen Pestizidhersteller wollen jedoch selbst solche Agrargifte verkaufen, die in das Grundwasser versickern können. Grundwasser aber ist die Trinkwasserquelle für drei von vier EU-BürgerInnen.

Greenpeace setzt sich strikt gegen eine Abschwächung der EU-Trinkwasserrichtlinie ein. Bei einer Aktion im September 1993 erhielten Mitglieder der EU-KomMission in Brüssel Flaschen mit reinem Quellwasser - als Erinnerung, dass sie für den Schutz des Wassers verantwortlich sind. In Gefahr ist nicht allein die Trinkwasser-Norm. Das Gerangel um die Trinkwasserrichtlinie ist nur ein erster Schritt, um nach und nach auch die Vorschrift zur Pestizid-Zulassung aufzuweichen. Beide Richtlinien hängen eng zusammen, denn bisher dürfen nur Gifte auf Äcker gespritzt werden, die das Grundwasser nicht gefährden, sprich den geltenden Höchstwert für das Trinkwasser nicht überschreiten. Fällt das Pestizidverbot für Trinkwasser, so dürfen die Hersteller - EU-harmonisiert ganz legal Gifte verkaufen, die ins Grundwasser versickern.


Druck auf Wasserverschmutzer

Greenpeace protestiert, gemeinsam mit den regionalen Greenpeace-Gruppen und zahlreichen Greenteams, seit Jahren gegen die Vergiftung des Wassers. Mit bundesweiten Aktionstagen und breiter Öffentlichkeits- arbeit wurde die Bevölkerung informiert. 1994 unterschrieben 755 000 Menschen für pestizidfreies Wasser. Die Listen wurden Landwirtschaftsminister Jochen Borchert überreicht. Im August und September 1994 ging das Greenpeace-Schiff Beluga" auf Tour: Aktionen vor HOECHST und BAYER-Niederlassungen in Köln, Monheim und FrankfurtGriesheim waren die Höhepunkte der Rhein-Tour. Greenpeace forderte von den Pestizid-Herstellern, ihre grundwassergängigen Agrargifte sofort vom Markt zu nehmen. Im Gepäck hatte die Crew eine Karte, in der die mit Pestiziden belasteten Trinkwasserbrunnen in Deutschland verzeichnet waren Ergebnis einer Befragung von über 500 deutschen Gesundheitsämtern. Die Grundwasser-Belastungskarte ließ erstmals das Ausmaß der Vergiftung erkennen: In 260 Landkreisen fanden die Tester Pestizide im Grundwasser. Im Dezember 1994 übergab Wasser-Kampaigner Jörg Naumann die Recherche-Ergebnisse an Gesundheitsminister Seehofer, der für die Reinhaltung des Trinkwassers verantwortlich ist. Im Januar 1995 folgte dann der ersehnte Etappensieg: Ein Entwurf der EU-KomMission sieht vor, den strikten Vorsorgegrenzwert für Pestizide in der Trinkwasser-Richtlinie zu erhalten. Die endgültige Entscheidung fällen EU-Ministerrat und Parlament - wann, ist unklar.


Unternehmen giftige Zukunft

Greenpeace kämpft weiter gegen Pestizide im Wasser. Im Visier: der BAYER-Wirkstoff Diuron, der Kleingärten und Grünanlagen von Unkraut und Moos befreien soll. Mit über 150 Tonnen Diuron jährlich hält die Deutsche Bahn ihre 75 000 Kilometer Gleisanlagen sauber. Laut Greenpeace-Gesundheitsämter-Umfrage wurde das Herbizid bereits in mehr als 100 Fällen im Rohwasser von Trinkwasseranlagen nachgewiesen. Nicht allein Greenpeace warnt vor dieser chemischen Keule. Der deutsche Bundesrat stellte 1994 fest, dass Diuron im Umfeld von Gleisanlagen das Grundwasser belastet. Und die amerikanische Umweltbehörde EPA fand heraus, dass Diuron Missbildungen bei Neugeborenen auslösen kann. Dennoch weigert sich die Deutsche Bahn, das Diuron-Spritzen zu lassen, anders sei die Verkehrssicherheit" nicht zu gewährleisten. Anscheinend doch: Die Bahnunternehmen in der Schweiz und Österreich verzichten seit einigen Jahren ganz auf Diuron. Im April 1995 verteilten Greenpeacer deshalb in 100 Osterreisezügen an rund 100 000 Fahrgäste den DB-Pestizid-Express-Fahrplan" - mit Informationen über die Spritztouren der Deutschen Bahn.


Ware Wasser

Findige Unternehmer entdeckten schon in den 70er Jahren, dass die zunehmende Wasserverschmutzung ein lukratives Geschäft versprach und stiegen in die Aufbereitung von Trinkwasser ein. Inzwischen bietet eine High-Tech-Branche ausgeklügelte Verfahren an, um aus immer schlechterem Rohwasser doch noch gesetzlich zulässiges Trinkwasser herstellen zu können. Die Zeche zahlt der Verbraucher, denn wo früher nur Wasser gepumpt oder Leitungen gewartet werden mussten, schlägt heute der Energie- und Chemikalieneinsatz für die Reinigung zusätzlich zu Buche. Steigende Umsätze in der Wasserversorgung ziehen verstärkt die Privatwirtschaft an.

In Frankreich, England und Spanien versorgen inzwischen gewinnorientierte private Wasserwerke die Bevölkerung. Auch in Deutschland, wo die Wasserversorgung traditionell zu den Aufgaben der Kommunen und Städte zählt, droht diese Entwicklung: Die Wasserwerke von Rostock und Frankfurt an der Oder wurden an private Konsortien übertragen. Auch der Kläranlagen-Bau boomt in den neuen Bundesländern. So ließ etwa die Stadt Elsterwerda im südlichen Brandenburg für ihre 10 000 Einwohner eine Kläranlage bauen: groß genug, um die Fäkalien von 240 000 Menschen zu verarbeiten. Kosten: 60 Millionen Mark. Und in der Nachbarstadt Bad Liebenwerda steht ebenfalls ein neues Klärwerk - für 20 Millionen Mark. Die Unterhaltskosten für diese überdimensionierten Klärwerke tragen die Verbraucher. Die Gewinne machen große Firmen, allen voran Baukonzerne und Unternehmen, die Technologien zur Wasser-Aufbereitung anbieten.


Politik im Dienste der Industrie?

Die Proteste gegen fortschreitende Verschmutzung und explodierende Kosten bei der Wasseraufbereitung haben inzwischen auch die Politiker alarmiert. Statt allerdings den Verschmutzern auf die Finger zu klopfen, auf Vorsorge zu pochen und sich für schärfere Wassergesetze stark zu machen, folgt die Politik zunehmend der Logik der Industrie. Und nach Verschärfung der deutschen und europäischen Gesetze steht der Industrielobby keineswegs der Sinn. Sie fordert statt dessen, Vorschriften aufzuweichen und Grenzwerte ganz abzuschaffen. Mit dem Argument der Deregulierung wird eine Abschwächung der Wassergesetze bis zur Wirkungslosigkeit vorangetrieben. Auf EU-Ebene sollen sogar Genehmigungen zur Verschmutzung des bislang rigoros geschützten Grundwassers erteilt werden eine Wasserwende in die falsche Richtung. Statt Grenzwerte abzuschaffen, muss auch in Brüsseler Amtsstuben konsequent auf Vorsorge gesetzt werden.

Quelle: Greenpeace

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